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Schilddrüsenunterfunktion – Eine stille Epidemie unserer Zeit

 

Sie ist klein, schmetterlingsförmig und wiegt gerade mal etwa 20 Gramm – und doch steuert sie zentrale Abläufe in unserem gesamten Körper: die Schilddrüse. Ihre Hormone – T3 (Trijodthyronin) und T4 (Thyroxin) – beeinflussen nahezu jedes System in unserem Organismus: Stoffwechsel, Energie, Stimmung, Fruchtbarkeit, Libido, Haut, Haare, Schlaf, Gewicht. Und dennoch wird sie oft übersehen – besonders dann, wenn ihre Leistung nur leicht eingeschränkt ist.

In unserer modernen Gesellschaft nehmen Schilddrüsenerkrankungen – insbesondere die Schilddrüsenunterfunktion (Hypothyreose) – rasant zu. Und sie kommt längst nicht mehr nur in schwerer Form vor, sondern zeigt sich auch subtil, schleichend, und bleibt so oft lange unerkannt.

 

Die klassische Schilddrüsenunterfunktion: Nährstoffmangel und Stress als Haupttreiber

Die „klassische“ Form der Unterfunktion entsteht oft durch eine Kombination aus Nährstoffmangel und chronischem Stress. Für die Bildung und Aktivierung von Schilddrüsenhormonen benötigt der Körper bestimmte Mikronährstoffe – allen voran Jod, Selen, Zink, Eisen, Vitamin D, Omega 3, B-Vitamine und Tyrosin (eine Aminosäure).

In einer Welt voller verarbeiteter Lebensmittel, Diäten und Darmprobleme sind viele Menschen chronisch unterversorgt. Gleichzeitig steigt der Cortisolspiegel durch Dauerstress, was die Konvertierung von T4 zu T3 (dem aktiven Schilddrüsenhormon) hemmt. Auch eine Fettleber kann die Ursachen einer schlechten Konvertierung von T4 zu T3 sein. Das Ergebnis: Trotz normaler Laborwerte funktioniert der Stoffwechsel nicht mehr wie er sollte – Betroffene fühlen sich antriebslos, müde, frieren leicht, nehmen zu, leiden unter Stimmungstiefs oder Libidomangel

 

Hashimoto-Thyreoiditis – Wenn das Immunsystem die Schilddrüse angreift

Immer häufiger tritt die Schilddrüsenunterfunktion jedoch als Folge einer Autoimmunerkrankung auf: Hashimoto-Thyreoiditis. Dabei richtet sich das eigene Immunsystem gegen das Schilddrüsengewebe – mit einer chronischen Entzündung als Folge.

Hashimoto betrifft vor allem Frauen und gilt mittlerweile als die häufigste Schilddrüsenerkrankung weltweit. Ein auffallendes Muster: Die Zunahme der Hashimoto-Fälle scheint eng verknüpft mit dem, was viele Fachleute den „proentzündlichen Lebensstil“ nennen:

hochverarbeitete Lebensmittel

chronischer Stress

Schlafmangel

Umweltgifte

ein gestörter Darm („Leaky Gut“) – häufig das Einfallstor für Autoimmunerkrankungen

 

Wissenschaftliche Hinweise deuten darauf hin, dass die Darmgesundheit eine entscheidende Rolle spielt. Ist die Darmschleimhaut durchlässig, gelangen Fremdstoffe ins Blut und triggern Immunreaktionen – oft gegen körpereigenes Gewebe wie die Schilddrüse.

 

Subtile Unterfunktion – große Wirkung

Es braucht keine massiv gestörte Schilddrüse, um sich schlecht zu fühlen. Schon eine geringfügig verringerte Hormonproduktion oder Konversion kann dramatische Auswirkungen auf Körper und Psyche haben. Oft wird im Labor nur der TSH-Wert bestimmt – doch das reicht nicht aus, um subtile Dysbalancen zu erkennen. Ein normaler TSH-Wert kann bestehen, während T3 (das eigentlich wirksame Hormon) bereits zu niedrig ist.

 

Betroffene leiden, ohne eine Diagnose zu bekommen. Sie frieren, fühlen sich depressiv, haben Zyklusstörungen oder Libidoverlust. Sie hören nicht selten: „Ihre Werte sind in Ordnung“ – und zweifeln an sich selbst.

 

Schilddrüse & Psyche, PCOS, Testosteron – mehr Einfluss als gedacht

Die Schilddrüse ist weit mehr als nur ein Stoffwechselorgan. Ihre Hormone haben tiefgreifende Auswirkungen auf:

Psychische Gesundheit: Niedrige T3-Werte sind mit Depressionen, Angstzuständen und kognitiven Einschränkungen assoziiert.

PCOS (Polyzystisches Ovarialsyndrom): Eine oft übersehene Komponente – Schilddrüsenunterfunktion kann die Hormonbalance der Eierstöcke stören und PCOS-Symptome verschärfen.

Libido und Testosteron beim Mann: Auch Männer sind betroffen. Niedriges T3 kann den Testosteronspiegel drücken und zu Erektionsproblemen oder Antriebslosigkeit führen.

 

Diese Zusammenhänge zeigen: Die Schilddrüse ist keine isolierte Baustelle – sie ist ein Schlüsselorgan, das in nahezu jedem gesundheitlichen Kontext berücksichtigt werden sollte.

 

Zeit für mehr Bewusstsein

Die Zunahme der Schilddrüsenunterfunktion – in all ihren Formen – ist kein Zufall. Sie ist Ausdruck eines Lebensstils, der den Körper überfordert und seine Ressourcen erschöpft. Umso wichtiger ist es, frühzeitig hinzusehen, ganzheitlich zu denken und die Schilddrüse nicht nur als Laborwert zu begreifen, sondern als feinfühliges Organ, das auf unser gesamtes System reagiert.

 

Es ist Zeit, ihr mehr Beachtung zu schenken – im Labor, im Alltag und in der Medizin.

 

 

Quellen:

1. WHO: Iodine status worldwide (2007)

2. DGE (Deutsche Gesellschaft für Endokrinologie): Informationen zu Hypothyreose und Hashimoto

3. National Institutes of Health (NIH): Thyroid Hormone Action

4. Gut Health and Autoimmunity – Fasano A. (2012), Clinical Reviews in Allergy & Immunology

5. Wiersinga WM (2014): Paradigm shifts in thyroid hormone replacement therapies for hypothyroidism. Nature Reviews Endocrinology

6. MedlinePlus / PubMed: Thyroid and Mental Health, PCOS and Thyroid Links

Der gemeinsame Nenner

Insulinresistenz, Fettleber, chronische Entzündungen, Darmprobleme, PCOS, Testosteronmangel oder Schilddrüsenunterfunktion – sie alle scheinen verschieden, doch haben oft dieselben Wurzeln: ein Lebensstil, der unseren Körper dauerhaft überfordert. Zu viel Stress, zu wenig Schlaf, schlechte Ernährung, Bewegungsmangel und Nährstoffdefizite bringen unsere Systeme aus dem Gleichgewicht. Erfahre wie diese Krankheiten zusammenhängen – und wie du den Kreislauf durchbrechen kannst.